The
PAROSPHROMENUS PROJECT

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Agro Sprit (german language)

 

Organisierter Etikettenschwindel beim zertifizierten Agrosprit: Bock zum Gärtner gemacht

Seit Jahren stehen Deutschland und die Europäische Union (EU) als weltweite Treiber beim Agrospritboom massiv in der Kritik. Große Mengen Nahrungsmittel werden in Fahrzeugen und Kraftwerken verbrannt, enorme Landflächen für die industriellen Monokulturen in Beschlag genommen. Millionen Tonnen an Palm- und Sojaöl sowie Ethanol aus Zuckerrohr werden aus den Tropenländern nach Deutschland und Europa importiert, weil Ackerflächen in der EU knapp sind und die Agrospritproduktion in den Ländern des globalen Südens viel billiger ist als bei uns. Regenwälder und andere wichtige tropische Ökosysteme werden in Lateinamerika, Afrika und Asien auf Millionen Hektar Fläche zerstört, um Platz für die Agrospritmonokulturen zu schaffen.

Nachhaltigkeitssiegel sollen die Kritiker verstummen lassen und unser Gewissen besänftigen. Immer mehr Zertifikate überschwemmen den Markt, doch die Kontrollen vor Ort versagen. Ab diesem Januar darf nur noch zertifizierter Agrosprit in Blockheizkraftwerke und Autotanks. So sieht es die deutsche und EU-Gesetzgebung zu Erneuerbaren Energien vor. Dafür hat die Bundesregierung ein eigenes internationales Zertifizierungsystem entwickelt: International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) mit Sitz in Köln. Das über das Landwirtschaftsministerium finanzierte Mustersiegel soll ein „international ausgerichtetes, praktikables und transparentes System zur Zertifizierung von Biomasse und Bioenergie etablieren”, so das offizielle Ziel. Die wichtigsten Kriterien: „Treibhausgasreduzierung, nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen, Schutz des natürlichen Lebensraums sowie soziale Nachhaltigkeit”.

Das unter der Führung der Kölner Beraterfirma Meo Consult entwickelte ISCC-Siegel wurde im Januar 2010 als Verein in Berlin offiziell gegründet und im Juli durch die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)endgültig anerkannt. Mitglieder sind vierzig Firmen – darunter auch der Agrarkonzern Cargill. Der US-amerikanische Multi, einer der weltweit größten Produzenten und Händler von Agrarrohstoffen, ist auch im sechsköpfigen Vorstand von ISCC vertreten.

Wen wundert es da, dass Cargill nun die weltweit ersten ISCC-Zertifikate erhielt, darunter vier Siegel für Palmöl in Indonesien. Damit deckt Cargill als erstes Unternehmen die gesamte Kette von Anbau, Produktion, Lagerung und Transport des Palmöls von Indonesien bis nach Deutschland und Europa ab, wie das Unternehmen per Pressemitteilung verkündet.

Die Umweltorganisation Regenwald-Aktionsnetzwerk (Rainforest Action Network – RAN) aus San Francisco hat die Aktivitäten des Cargill-Konzerns in Indonesien untersucht. Zwischen Juli 2009 und März 2010 nahmen die Umweltschützer die Cargill-Tochter CPT Holding unter die Lupe, die auf Borneo vier Palmölplantagen betreibt. Die Anfang Mai 2010 veröffentlichte Studie „Cargills Probleme mit Palmöl – Eine brennende Bedrohung auf Borneo” zieht eine vernichtende Bilanz. Sie weist Cargill in Westkalimantan großflächige illegale Regenwaldrodung und die Zerstörung von Torfmooren sowie schwere Konflikte mit der Bevölkerung nach.

Trotz dieser gravierenden und alles andere als „nachhaltigen” Praktiken von Cargill hat die Zertifizierungsfirma SGS Germany GmbH am 24. Juni 2010 zwei ISCC-Zertifikate für zwei Palmölplantagenbetriebe des Konzerns auf Sumatra (PT.Hindoli, Sungai lilin, Sungai Tungkal Estate und Dalam-Sri Gunung Estate), vier weitere Zertifikate für Palmölmühlen und Verladeeinrichtungen in Indonesien sowie für fünf Anlagen in Belgien, Deutschland und den Niederlanden – insgesamt also 11 Siegel – erteilt. Und obwohl es das erklärte Ziel der Zertifizierung sein sollte, Transparenz und Nachprüfbarkeit zu schaffen, werden keinerlei Informationen zu den Zertifikaten herausgegeben. Nicht einmal minimale Angaben wie Ort, Lage und Größe der zertifizierten Palmölplantagen und den dort produzierten Palmölmengen sind auf unsere Nachfrage erhältlich.

Eine unabhängige Überprüfung wird damit unmöglich, und das ISCC-Siegel ist ein weiteres Beispiel für organisierten Etikettenschwindel auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima. Im Mai 2010 hatte die Bundesregierung noch auf eine Anfrage im Bundestag schriftlich bestätigt, dass die „Umwandlung von Wald in Palmölplantagen nicht nachhaltig” sei.

www.regenwald.org